Die Rosenheim-Cops am 03. November 2025 um 15:17 Uhr auf ORF 2
Das Kommissariat ist in einen unheimlichen Halbschatten getaucht. Es ist 15:17 Uhr, der Himmel draußen ist von bleierner, undurchdringlicher Farbe. Im Büro von Frau Stockl (Marisa Burger) herrscht nicht die übliche, hektische Betriebsamkeit des Nachmittags, sondern eine gespannte, feierliche Stille. Sie sitzt an ihrem Schreibtisch, die Hände gefaltet über der Tastatur, der Blick starr auf den Bildschirm gerichtet.
Neben ihr, auf dem Beistellstuhl, sitzt Polizeidirektor Achtziger (Alexander Duda). Er hat seine gewohnte Distanz aufgegeben und ist in den innersten Zirkel des Sekretariats vorgedrungen. Sein Gesicht spiegelt eine ungewohnte Mischung aus Angst und Erwartung.
Es geht nicht um einen Mord. Es geht um die Quotenmessung der gerade ausgestrahlten Wiederholung. Es ist der Moment der Wahrheit für die gesamte Existenz der Rosenheim-Cops auf ORF 2.

„Frau Stockl,“ flüstert Achtziger, seine Stimme ist heiser, „sind Sie… sicher, dass das System zuverlässig ist? Ich meine, diese Quoten-Apparate… sind die immun gegen… regionale Schwankungen?“
Frau Stockl blickt ihn ernsthaft an, ihre Augen blitzend von einer kühlen Professionalität, die nur sie in Momenten der höchsten Krise an den Tag legt. „Herr Direktor, das ist die offizielle AGF-Messung. Hier gibt es keine Schwankungen. Nur Zahlen. Und Zahlen lügen nicht.“
Sie tippt auf die Tastatur. Das geringe Klicken des „Enter“-Befehls hallt in der Stille nach wie ein Schuss. Beide starren auf den Bildschirm. Der Bildschirm lädt. Jede Sekunde ist eine Ewigkeit.
Achtziger atmet stoßweise aus. „Ich habe heute Morgen ein ungutes Gefühl gehabt. Beim Bäcker. Die Brezn war nicht knusprig. Das ist immer ein schlechtes Omen für die Einschaltquoten, Frau Stockl, merken Sie sich das!“
„Herr Direktor,“ erwidert Stockl, ihre Stimme ist nun gefährlich ruhig, „die Quoten hängen nicht von der Konsistenz Ihrer Brezn ab, sondern von der Konkurrenz. Und von der allgemeinen Wetterlage. Wenn es regnet, bleiben die Leute daheim. Wenn die Sonne scheint, sind sie im Garten. Es ist ein kriminalistisches Glücksspiel.“
Die Ergebnisse erscheinen auf dem Bildschirm. Ein dicker, roter Balken. Ein hoher Prozentsatz. Daneben der Text: Marktanteil 15:17 Uhr.
Achtziger schreckt zurück, seine Augen weit aufgerissen. Er ringt nach Luft. „Oh, mein Gott! Derart hoch?! Das… das ist ja phantastisch! Das ist Beweis! Die Österreicher lieben uns! Trotz aller Brezn-Probleme! Frau Stockl, Sie sind eine Heldin! Wir haben gewonnen! Wir sind gerettet!“ Er lehnt sich vor und droht fast, Frau Stockl in seiner Euphorie zu umarmen.
Frau Stockl hält ihn mit einem energischen Blick auf Distanz. Ihr Gesicht ist noch immer unergründlich. „Herr Direktor, bitte. Beruhigen Sie sich. Das ist der Marktanteil. Nicht die absolute Zuschauerzahl.“
Achtziger erstarrt. Seine Freude verfliegt wie Nebel. „Der… der Marktanteil? Was bedeutet das denn… konkret?“ Seine Stimme ist jetzt wieder ein ängstliches Flüstern.
Stockl atmet tief ein, bereit für die gnadenlose Aufklärung. „Der Marktanteil ist der Anteil der tatsächlichen Seher am Gesamtpublikum der gerade fernsieht. Die absolute Zahl, Herr Direktor, die harte Währung, steht darunter.“
Sie scrollt langsam mit der Maus. Die absolute Zahl erscheint, eine sechsstellige Summe.
Achtziger presst die Hände vor den Mund. Die Zahl ist solide, aber deutlich niedriger als der täuschend hohe Marktanteil. Es ist ein gutes Ergebnis, aber kein Triumph.
„Es ist… es ist akzeptabel, Frau Stockl,“ murmelt Achtziger, seine Schultern hängen nun in Enttäuschung. „Wir sind… solide. Aber nicht der unangefochtene Sieger! Wir sind nicht die Königsklasse!“
Frau Stockl nickt kühl. „Sehen Sie, Herr Direktor. Die Wahrheit liegt im Detail. Die Wiederholung läuft gut, aber der Marktanteil war trügerisch hoch, weil viele andere Sender gerade Werbung sendeten. Das Publikum war klein, aber treu. Das ist die kriminalistische Lektion des Tages: Man darf sich nicht von einfachen Zahlen blenden lassen. Man muss die Hintergründe ermitteln.“
Sie schließt das Fenster. Die spannungsgeladene Stille kehrt zurück, aber nun ist sie gefüllt mit der melancholischen Akzeptanz einer soliden, aber unaufregenden Realität.
Achtziger seufzt. Er steht auf, seine Würde ist wiederhergestellt, aber seine Seele ist verwundet. „Danke, Frau Stockl. Sie haben mich schmerzhaft erleuchtet. Ich werde nun meine Brezn-Theorie revidieren müssen. Und wir müssen dringend über die Sendezeit um 17:10 Uhr sprechen…“ Er verlässt das Büro, schwerfällig und nachdenklich.
Frau Stockl lehnt sich zurück, ein stiller Triumph in ihren Augen. Sie hat die Krise gemeistert und ihren Chef ernüchtert. Sie greift zum Hörer, bereit für den nächsten Anruf. Die Welt der Rosenheim-Cops ist gerettet, zumindest für heute. Aber die nächste Quote wartet schon.